[TC2] Heldentum (Part 2) - Druckversion +- Raupyboard (https://www.raupyboard.de) +-- Forum: Allgemein (https://www.raupyboard.de/forumdisplay.php?fid=25) +--- Forum: Forum Textrollenspiele (https://www.raupyboard.de/forumdisplay.php?fid=32) +---- Forum: Short Stories (https://www.raupyboard.de/forumdisplay.php?fid=115) +---- Thema: [TC2] Heldentum (Part 2) (/showthread.php?tid=14399) |
[TC2] Heldentum (Part 2) - Black-Cat - 17.10.2010 Part 2 Als der Morgen näher rückte, verzogen sich die dunklen Wolken. Als ich von Bern geweckt wurde, strahlte mir bereits klarer Sonnenschein ins Gesicht. „Morgen.“ flüsterte er, darauf bedacht das Mädchen nicht zu wecken. Ich ließ meinen Blick zu ihr schweifen. Sie war recht verkrampft gewesen, als wir sie hingelegt hatten, doch nun atmete sie relativ ruhig und schien entspannt. „Ich besorg uns ein Frühstück. Pass schön auf sie auf.“ Bevor ich widersprechen hätte können, war Bern davon gegangen und hatte mich mit dem Mädchen alleine zurück gelassen. Ich beobachtete sie und sah eine Halskette neben ihrem Kopf liegen. Wir hatten diese am Vorabend bemerkt, als wir das Mädchen ausgezogen hatten. An der Kette hing eine Art Medaillon. Ein großes rotes Juwel in goldener Fassung mit möglicherweise unbeschreiblichem Wert, wenn es keine Fälschung war. Das dieses Mädchen so etwas an sich trug ließ auf ihre Herkunft schließen. Sie kam sicherlich aus einer recht reichen Familie. Sie nun in einer von Berns Jacken zu sehen passte nicht mit diesem Bild zusammen… Sie war hübscher als ich angenommen hatte. Nun da ihr Haar zu trockenen begann und ihr geschundenes Gesicht langsam wieder normale Züge annahm erkannte ich dies. Bevor ich es versah, hing ich knapp über ihr und betrachtete sie aus der Nähe, bis sie plötzlich ihre Augen öffnete. Sie sah in die braunen Augen eines Jungen ihres Alters. Sein Gesicht war markant, sein Haar lang und schwarz wie die Nacht. Er war etwas blass im Gesicht, was nach der Nacht die er hinter sich hatte kein Wunder war, doch schlich sich auch leichte Röte in die markanten Kurven. Er trug ein schwarzes Hemd und eine graue Jeans. Die Nähe, die das Gesicht des Jungens zu dem ihren hatte hätte sie erschrocken, doch erkannte sie es wieder. Vor ihr war der Junge, der ihr am Vorabend helfen wollte… vor ihr war ich, Lorenz. Ich wich zurück, nicht wissend was ich sagen sollte um meine Unhöflichkeit zu entschuldigen. Glücklicherweise ersparte sie mir dies. „Wo bin ich?“ Sie blieb liegen, doch sah sie sich um. „Hast du mich hierher gebracht?“ fragte sie, ihren Blick wieder zu mir zurück kommen lassend. Dies war das erste Mal, dass ich ihre Stimme gehört hatte. Ein hübsche Stimme, momentan schwach, doch sicherlich passend, definitiv weiblich. „Das hier ist das Zuhause meines Bruders und mir. Wir haben dich hierher gebracht, da du vor unseren Augen das Bewusstsein verloren hast.“ Ich versuchte dies so unumständlich wie möglich zu erklären. „Euer Zuhause?“ Sie sah sich erneut um. „Ihr lebt hier…?“ Ihre Frage hatte nichts Diskriminierendes an sich. Sie klang ehrlich. Ich nickte ihr zu. „Wir leben schon den größten Teil unseres Lebens auf der Straße.“ erklärte ich. Sie schien nicht erstaunt, schien keine Angst zu haben. Sie setzte sich auf und sah an sich herab, wobei sie ihre neuen Gewänder erkannte. „Was ist das?“ fragte sie ruhig, obwohl es recht offensichtlich sein musste. „Deine Kleider waren völlig durchnässt. Sie waren dabei sich aufzulösen. Wir haben…“ Ich stoppte bei dem Gedanken daran, was wir getan haben. Sie erkannte, was geschehen sein musste und errötete leicht, jedoch ohne sonst irgendwie ihre Gefühle Preis zu geben. „Es tut mir Leid, dass ich euch so viel Ärger bereitet habe.“ Sie sagte es und man sah ihr an, dass sie es so meinte. „Mach dir nichts daraus…“ murmelte ich, an die Wand hinter dem Mädchen blickend. „…Mein Name ist… Reika.“ Mein Blick fiel zurück auf sie. Sie hatte diese Worte nahezu geflüstert, so war ich mir nicht sicher, was sie gesagt hatte. Sie erkannte dies und wiederholte ihren Satz mit etwas mehr Nachdruck. „Mein Name ist… Reika.“ Ich lächelte sie an, dann streckte ich ihr meine rechte Hand entgegen. „Freut mich, dich kennen zu lernen Reika. Ich bin Lorenz, aber nenn mich Lenz.“ Sie hob ihre Hand zögernd. Ich sah ihr an, dass sie nicht wusste, ob sie mir vertrauen konnte. Langsam streckte sie sie vor und packte die meine leicht. „Die Freude… ist ganz meinerseits.“ sagte sie, nun hochrot im Gesicht. … „Hey Turteltauben, jetzt wird erstmal gegessen.“ Ich wusste nicht, wie lange unsere Hände ineinander gelegen waren, doch Berns plötzliches Auftauchen riss uns auseinander. Wir sahen ihn an, doch sein Blick fiel so ziemlich sofort auf Reika. „Die Prinzessin ist also aufgewacht. Mein Name ist Bernard, hoffe du magst Früchteyoghurt.“ sagte er, wobei er sofort mit dem Ende des Satzes einen Becher Früchteyoghurt neben das Mädchen auf die Matratze warf. Diese sah ihn verwirrt an. Ich half ihr aus. „Das ist mein Bruder, Bern. Er hat dich vom Park bis hierher getragen.“ stellte ich fest und das Mädchen nickte. „Ich bin Reika Ich mag Früchteyoghurt.“ Das übliche Grinsen kam zurück auf das Gesicht meines Bruders, als er zusammen mit mir beobachtete, wie unser Gast den Yoghurtbecher öffnete und mit ihrem Zeigefinger Yoghurt heraus löffelte. Sie tat dies, bis sie unsere Blicke bemerkte. Sie blinzelte verwirrt. „Ist etwas?“ fragte sie und wir beiden wussten nur eine Antwort darauf, die mein Bruder in Worte fasste. „Du bist zu süß.“ … Wir alle aßen Yoghurt, doch nun mit Löffeln. Wir hatten uns etwas Zeit gelassen, Reika zu erklären, dass wir zwar auf der Straße lebten, jedoch nicht völlig ohne Bequemlichkeiten leben müssen, woraufhin sie sich für ihre vorangegangene Aktion zu schämen begann. Wir aßen gemütlich, ließen uns Zeit, jeder zwei Becher. Wir sprachen nichts, bis das Mädchen etwas zu sagen hatte. „Gestern wurde bei mir Zuhause eingebrochen.“ warf sie einfach so in die Runde. Wir stoppten beide mitten im Kauen, insofern man dies bei Yoghurt tun musste. Da keiner von uns etwas sagte, schloss sie ihre Augen halb und sprach weiter. „Es waren drei bewaffnete Männer. Sie haben meine Eltern… ohne mit der Wimper zu zucken…“ Tränen stiegen ihr wieder in die Augen. Mein Bruder und ich wussten nun, was passiert war. Sofort hatten wir unsere Yoghurtbecher abgestellt und bewegten uns an die Seiten des Mädchens, mein Bruder einen Arm auf ihre Schulter beziehungsweise ich meinen Arm um ihren Rücken legend. Sie rückte näher an mich und vergrub ihren Kopf wie am Vorabend in meiner Brust. „Wir kennen deinen Schmerz.“ sagte Bern beruhigend. „Es ist etwas Schreckliches, doch darfst du unter dieser Last nicht zerbrechen.“ flüsterte ich ihr zu und streichelte sie sanft am Rücken. Es dauerte einige Minuten, bis sie sich wieder halbwegs beruhigte. „Ihr versteht… dass ich nicht mehr dorthin zurück kann?“ fragte sie uns dann ruhig, wobei sie immer noch zwischen uns saß. Wir nickten ihr zu. „Ja.“ sagte ich um dies zu unterstreichen. „Kann ich… hier bleiben?“ kam es über ihre Lippen. Mein Bruder und ich sahen uns gegenseitig an. Die Frage des Mädchens hatte uns beide überrascht. Hier bleiben, bei uns? Meinte sie das ernst? „Also ich persönlich hab nichts dagegen.“ sagte Bern dann lächelnd, was mich aus meinen Gedanken riss. „Hast du dir das auch gut überlegt?“ warf ich jedoch ein. „Das Leben auf den Straßen ist hart.“ machte ich ihr klar. Reika sah kurz auf den Boden. Ich hatte meinen Blick auf sie gelegt und erwartete eine Antwort. Das erste das ich sah, war das sie zu lächeln begann. „Ich bin nicht schwach… und ihr seid ja auch da. Ich will hier bei euch bleiben.“ gab sie von sich und sah mich dann von unten herauf an. „Wenn du damit einverstanden bist, Lorenz.“ Ich konnte diesem Blick nicht entkommen. Ich konnte ihr diesen Wunsch nicht abschlagen. Sie war sich sicher. Sie wusste, worauf sie sich einließ. „Wenn das so ist, dann willkommen in unserer kleinen Familie, Reika.“ sagte ich und das Mädchen begann daraufhin breit zu lächeln, bis ihr erneut Tränen in die Augen traten… dieses Mal Freudentränen. … Von diesem Tag an waren wir nicht mehr zwei Brüder. Von nun an waren wir drei Geschwister. Wir hatten uns entschieden Reika nicht als eine Freundin aufzunehmen, sondern als unsere Schwester. Es machte das Leben einfacher, sowohl für sie als auch für uns. Es erlöste uns von der Scham die wir ihr gegenüber empfanden und brachte uns enger aneinander als es unter Freunden je hätte sein können. Wir schliefen zusammen auf den beiden Matratzen, wir aßen zusammen, wir lebten zusammen. Während ich und Bern üblicherweise Diebstähle begingen, stellte sich Rei, wie wir sie nun nannten, als eine wahre Meisterin im Betteln heraus. Durch die Einnahmen die sie dadurch machte, konnten wir es uns sogar hin und wieder leisten, Waren zu kaufen, die wir nur schwer stehlen konnten. Zu diesen Waren gehörte großteils Kleidung, wobei ich auch gleich anfügen kann, dass wir Rei nie wieder dabei erwischten, Mädchenkleidung zu tragen. Sie fand es anscheinend bequemer, möglicherweise auch billiger, definitiv wärmer Jungenkleidung zu tragen. Jahr: 14987 So zusammen lebend verging eine lange Zeit. Möglicherweise ein Jahr, vielleicht weniger. Es machte mehr Spaß zu leben als jemals zuvor und es war auch einfacher geworden. Ich war gerade wieder dabei erneut zu schreiben, als Bern und Rei mir über die Schulter sahen. „Wie viel hast du eigentlich schon geschrieben?“ fragte das Mädchen. Diese Frage war neu, doch musste ich zugeben, dass ich keine Ahnung hatte. „Ich weiß nicht. Ich schreibe schon seit einer Ewigkeit.“ Ich sah auf das relativ neue Heft vor mir. In einem nahen Müllsack lagen noch einige andere, bereits vollgeschriebene, Hefte. Es war eine Aufzeichnung des vergangen Jahres, vielleicht auch mehr. Bern seufzte. „Du weißt nicht einmal wie viel du da hast? Denkst du, du wirst das jemals alles wieder lesen?“ Er verschränkte bei diesen Worten seine Arme und musterte mich nachdenklich. Ich überlegte kurz. „Alles aufzuschreiben das passiert ist mir wichtig. Ob ich es jemals wieder brauche ist dabei egal.“ erklärte ich und Bern schien nicht zufrieden mit der Antwort. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, legte Rei ihre Hand auf meine Schulter und sprach selbst. „Es ist ein Hobby, etwas das du gerne hast ohne einen richtigen Grund dafür zu brauchen. Ist doch gut, findest du nicht?“ Ich nickte ihr zu, doch Bern schien falsch zu verstehen. „Dann seid ihr meine Hobbys.“ bemerkte er grinsend. Reika konnten es sich nicht verkneifen, daraufhin loszulachen. „Ja, du bist auch unser Hobby.“ warf Rei irgendwann zwischen zwei Lachern ein. Nachdem wir uns wieder beruhigt hatten, verräumte ich meine Schreibutensilien. Es war zirka 15:00 Uhr. Eine gute Zeit. So dachte zumindest Rei, welche sich entschied, die Zeit, in der es weder zu kalt noch zu heiß war zu nutzen, um auf die Straße zu gehen und ein wenig zu betteln. Mein Bruder und ich sahen ihr hinterher, wie sie langsam durch die Gasse davon ging und dann auf die Straße abbog und verschwand. „Sie hat sich verändert.“ bemerkte ich nebensächlich. Mein Bruder sah mich an und grinste. „Ja, sie ist hübscher geworden.“ bemerkte er. „Das meine ich nic-“ „Und sie bringt etwas mehr Schwung in ihren Hin-“ „Ich sagte das meine ich nicht!“ Wir unterbrachen uns hin und her, bis ich meinen Bruder am Kragen packte und dieser wie verrückt zu lachen begann. Er erkannte die Röte in meinem Gesicht, von der ich selbst nichts mitbekam. „Und was meint mein lieber Bruder dann?“ fragte Bern, die Hand die ihn hielt packend und von sich ziehen. Er war wirklich viel stärker als ich. Ich trat einen Schritt zurück und verschränkte meine Arme. „Ich meine, wie sie sich an die Straße gewöhnt hat. Es ist, als hätte sie nie anders gelebt.“ erklärte ich. Mein Bruder kratze sich nachdenklich am Kopf. „Es ist ein gutes Jahr, seit sie hier mit uns rum hängt. Ist irgendwie klar.“ bemerkte er. „Ich frage mich, ob sie noch hin und wieder an ihre Eltern denkt...“ Diese meine Worte verleiteten nun Bern dazu mich am Kragen packen. In seinen unmenschlichen Augen war etwas, das ich selten bei ihm sah. „Erinnere sie ja nicht daran!“ knurrte er mich an. Ich hatte Angst. Hinter Bernards Griff steckte eine Menge Kraft. Ich hatte noch nie das Gefühl gehabt, mit einem Monster zusammen zu leben. Noch nie bis zum momentanen Moment. Weshalb regte ihn der reine Gedanke, dass sich Reika erinnern würde so auf? „Beruhig dich Bern, lass mich los.“ sagte ich ruhig und die Augen meines Bruders normalisierten sich sofort wieder. Er realisierte, was er tat und ließ mich los. Ich sank vor ihm auf den Boden wo ich vorerst sitzen blieb. „’Tschuldige Lenz…“ murmelte Bern, auf mich herab sehend. „Ich hab irgendwie die Kontrolle verloren.“ fügte er hinzu. Ich rückte mir mein Hemd zurecht. „Ist schon gut.“ versicherte ich ihm ruhig. Bern ließ sich neben mir nieder und ließ seinen Kopf etwas hängen. „Ich will nicht, dass Rei sich erinnert… ich will nicht, dass sie wieder heult.“ erklärte er, woraufhin ich ihm meinen Arm um den Rücken legte. „Das war es also…“ murmelte ich, lächelnd. Auch Bern lächelte und wir saßen so für einige Minuten. „Hey, gib das wieder her!“ „Ach, willst du das? Das ist doch fiel zu schön für dich~“ „Hör auf! Gib das zurück!“ „Du hast es doch sowieso irgendwo gestohlen, also sei doch nicht so. Hahaha~“ Berns rechtes Katzenohr zuckte und er stand rapide auf. „Was ist?“ fragte ich überrascht, doch packte er sofort meine Hand und zog mich hoch. „Rei hat Probleme, komm!“ Diese Worte hatten eine seltsame Wirkung auf mich. Ich konnte es nicht richtig beschreiben, doch sie nur zu hören gab mir eine Art Stich in der Magengegend. Bern lief los und zog mich hinter sich her, bis ich mich fing und aus eigener Kraft mitlief. Wir kannten Reis übliche Bettelplätze, doch woher er den genauen Weg zu ihrem momentanen Aufenthaltsort kannte, konnte ich mir nicht erklären. Es dauerte zumindest nur knapp fünf Minuten bis wir unsere Schwester fanden. Das was ich hier sah war etwas anderes, als was ich erwartet hatte. Was sich uns nämlich darbot war Reika die sich gerade mit einem anderen Mädchen am Straßenrand schlug. „Gib mir mein Medaillon zurück!“ Dieser kurze Aufschrei erklärte recht schnell den Grund für die Auseinandersetzung. Reika’s Gegnerin, ein Mädchen mit pink gefärbtem Haar, gekleidet in einem schwarzen Kleid, hatte das Medaillon an sich genommen, welches unsere Schwester üblicherweise immer um ihren Hals trug. Nun trug das fremde Mädchen dieses Schmuckstück um den ihren. „Ich sagte nein~“ Und sie schien sich zu amüsieren. Das Mädchen schien ungefähr in unserem Alter zu sein – zumindest waren sie und Reika ungefähr gleich groß. „Hey Rei, sollen wir dir helfen?“ rief Bern plötzlich grinsend zu den beiden Mädchen hinüber. Diese stoppten in deren Handgemenge und sahen zu uns herüber. „Sie hat mein Medaillon gestohlen!“ rief unsere Schwester uns zu. Das andere Mädchen sah uns mit großen Augen an. „D-das sind deine Brüder?“ fragte sie ihre Gegnerin zögerlich, sich offensichtlich nicht mehr amüsierend. Rei sah sie an, schwach grinsend. „Ja, die Besten die man sich wünschen kann. Und jetzt gib mir mein Medaillon oder ich sage den beiden, dass sie es mir holen sollen.“ Die Worte schienen auf das Mädchen zu wirken. Sie griff nach der Halskette und zog sie sich über den Kopf. Kurz warf sie noch einen Blick darauf, bevor sie plötzlich grinste und das Schmuckstück hoch in den Himmel schleuderte. Gleich danach lief sie davon. Wir liefen zu Rei und wollten an ihr vorbei, dem Mädchen hinterher, doch unsere Schwester stoppte uns aufgeregt. „Vergesst sie, fangt das Medaillon!“ machte sie uns klar und unser beider Blicke schossen gen Himmel. Da flog es, bereits auf dem Rückweg gen Boden. Würde es diesen erreichen würde sicher etwas kaputt gehen. Wir beide hampelten herum, versuchend uns direkt unter dem Ding zu positionieren und… dann schaffte ich es, es zu fangen. Ich sah auf das Medaillon in meinen Händen herab. Der rote Juwel in dessen Zentrum schimmerte im Sonnenlicht. Dies war das zweite Mal, dass ich es in meinen Händen hielt. Und im Gegensatz zum letzten Mal, hatte ich nichts Besseres zu tun, so dass ich es mir gut ansehen konnte. Umgeben von dem semitransparenten, roten Stein schien in dessen Inneren ein weiterer, länglicher, schwarzer Juwel zu liegen. Er gab dem Medaillon Ähnlichkeit mit einem Auge. Es war, obwohl es aus Metall und Edelsteinen bestand, nicht sonderlich schwer und lag gut in der Hand. Soviel konnte ich herausfinden, bis Rei sich vor mir aufstellte. „Du hast es gefangen!“ bemerkte sie freudig. Ich hielt ihr das Schmuckstück hin. „Wie kam dieses Mädchen darauf, es dir wegzunehmen?“ fragte ich sie nebensächlich. Meine Schwester nahm das Medaillon an sich und legte es sich vorsichtig um den Hals. „Sie hatte es wohl wiedererkannt und dachte ich hätte es gestohlen.“ „Wiedererkannt?“ warf nun Bern fragend ein. „Ja… Dieses Mädchen, ihr Name ist Venus Kwilr. Ich kenne sie von früher. Wir sind zusammen in die Schule gegangen. Sie hat mich womöglich nicht wiedererkannt und dachte ich hätte das Medaillon gestohlen, von mir selbst.“ Rei schien nachdenklich zu sein. Ein Stückchen ihrer Vergangenheit war ihr untergekommen. Mich an mein Gespräch mit Bern zurück erinnernd hielt ich es für das Beste sie davon abzulenken, doch war es zu spät dafür. „Dieses Medaillon. Ich habe euch nie davon erzählt, oder?“ fragte das Mädchen ruhig. Wir schüttelten beide unsere Köpfe langsam. Sie sah sich kurz nachdenklich um. „Hier sind zu viele Leute. Gehen wir nach Hause.“ Mit diesen Worten griff sie nach einer mit einigen Münzen gefüllten Blechdose, die sie jedes Mal zum Betteln mitnahm und ging dann mit uns zurück zu unserer Gasse. Zuhause angekommen beobachteten wir, wie unsere Schwester eine unserer Matratzen ausbreitete und uns dann anwies uns auf diese zu setzen. Sie selbst nahm Platz auf einer relativ stabil stehenden Mülltonne und zog ihre Halskette wieder über ihren Kopf, sodass sie diese nun in ihrer rechten Hand hielt. „Dieses Medaillon oder besser gesagt das Juwel das in diesem eingefasst ist nennt sich das Auge Ta’s. Mein Vater erzählte mir, dass es sich dabei um ein uraltes Artefakt aus dem alten Ägypten handelt, welches seit ewigen Generationen in unserer Familie weitervererbt wird. An meinem zehnten Geburtstag habe ich es bekommen.“ Sie hob das Juwel an dessen Kette hoch, damit wir es besser sehen konnten. „Es hat einen unbeschreiblichen Wert. Nicht nur einen materiellen, sondern für mich auch einen immateriellen. Wie ihr sicher versteht, war der Gedanke daran es zu verlieren schrecklich…“ Das Mädchen stoppte und schloss ihre Augen halb … sie schien traurig. “Ich frage mich ob die Einbrecher, die meine Eltern umgebracht haben, hinter ihm her waren…“ murmelte sie leise, doch wir verstanden ihre Sorge in der ruhigen Gasse nur zu gut. Wir erhoben uns um zu Rei zu gehen, doch hätten wir uns dies sparen können. Sie war bereits aufgesprungen und zu uns gerannt. Sie umarmte uns und versuchte die Rückkehr ihrer lang vergessenen Tränen zu unterdrücken. „Ich habe nun euch… durch diesen Vorfall habe ich euch getroffen… ich habe euch… ich liebe euch.“ Wir legten unsere Arme um das Mädchen und drückten es an uns. „Das wissen wir.“ sagten wir nahezu wie aus einem Mund. „Wir lieben dich auch.“ Nachdem sich das Mädchen beruhigt hatte, blieb sie zwischen uns sitzen – das Auge Ta’s in ihren Händen. „Ich bin ein einfacher Mensch wie Lenz, doch dieses Auge besitzt magische Fähigkeiten. Vater hat mir davon erzählt. Er sagte, das sich die Fähigkeiten des Auges je nach Besitzer ändern… ich habe es noch nie versucht sie einzusetzen. Ich brauche keine Magie um glücklich zu sein.“ Sie sprach wieder ruhig. Es schien unsere Nähe beruhigte sich immens. „Du hast uns, um dich glücklich zu machen.“ warf Bern ein. Rei lächelte, so wie wir es von ihr liebten. „Ja, ich danke euch für alles.“ … Der Rest des Tages war vergangen. Der Rest der Woche vergangen. Ein halbes Jahr war vergangen. Jahreszeiten in The City waren nur schwer erkennbar, wenn man ein normaler Bewohner war. Auf den Straßen hingegen spürte man die Kälte des Winters in voller Stärke. Es war Abend und wir bereiten uns fürs Schlafen vor. In dieser kalten Zeit war es mehr als üblich, das wir uns alle drei zusammen kuschelten. Wir legten unsere zwei Matratzen aus, bevor die Sonne völlig unterging und dann legten wir uns hin. Wie üblich lag Rei zwischen Bern und mir. Wir deckten uns zu und schlossen unsere Augen. Wir rückten so nah aneinander wie möglich und versuchten schnell einzuschlafen, so dass wir uns voll und ganz auf die Wärme der anderen konzentrieren konnten. Das Rei zwischen uns lag hatte im Großen und Ganzen den Sinn, dass sie die Wärme von uns beiden abbekam. Außerdem ersparte ihr dies jedwedes Gefühl des Alleinseins. Wir hatten dieses Problem am Anfang unserer Dreisamkeit gehabt und es auf diese Weise gelöst. Wir waren einfach dabei geblieben. Wenig hatte sich geändert, nachdem wir gute Wege gefunden hatten. Rei war unsere Schwester und dies mehr als alles andere. Nach Bern’s persönlicher Begrüßung am White Lake Park bei unserer ersten Begegnung mit Reika hatte es auch nahezu keine Vorfälle mehr gegeben, in welchen Reis Geschlecht für uns eine Rolle gespielt hatte. Es war eine besondere Nacht für uns… nur wussten wir es als wir einschliefen noch nicht. Bern weckte mich am folgenden Tag spät. Es war beinahe Mittag. So lange hatten wir noch nie geschlafen. Ich rieb mir den Schlaf aus den Augen. Mein Körper erschien mir seltsam und ich fühlte mich schlichtweg schlecht. Bern schien aufgeregt als er mich wach schüttelte, dann schrie er mich an. „Rei ist weg!“ Sofort war der Schlaf aus meinem Körper gewichen und ich stand auf, nur um Sekunden später wieder auf die Matratze zurück zu sinken. Ich hustete und mir wurde schwummrig vor Augen. Erst nachdem mir Bern eine Ohrfeige gab ging es mir besser. „Man hat uns irgendwas gespritzt!“ erklärte er kühl, aufgeregt und wütend. Ich sah ihn verwundert an, dann an meinen Unterarm an welchem ich eine kleine Stichwunde vorfand aus welcher ein kleinwenig Blut hervor geronnen war, welches sich jedoch bereits verfestigt hatte. „Gespritzt?“ wiederholte ich verwirrt. „Ja. Irgendjemand wollte nicht, dass wir aufwachen. Die haben uns ein Schlafmittel oder irgendwas gespritzt und Rei entführt als wir tief schliefen.“ Er schlug mit seiner rechten Hand gegen die Gassenwand und erzeugte somit eine Delle. Erneut zeigte sich seine Unmenschlichkeit, doch verstand ich seine Wut. „Du weißt, dass es mehrere waren?“ fragte ich, mit dem Versuch ruhig zu bleiben und meinen Bruder zu beruhigen. Er sah mich an. „Verdammt noch mal nein, aber…“ Ich beobachtete wie Bern neben mir auf die Knie sank. „Was machen wir denn jetzt? Rei ist irgendwo… ohne uns.“ Seine Wut war umgeschwungen und nun war er traurig und weinte… Sein Anblick ließ auch mir die Tränen in die Augen treten. Langsam näherte ich mich ihm und umarmte ihn. „Ich weiß es nicht… Ich weiß es nicht Bern.“ Wir wussten, dass es sinnlos war, doch suchten wir nach ihr. Es lenkte uns von der Trauer ab. In der Zeit, in der wir leben, kann man die Welt in einer guten Stunde umkreisen, wenn man die richtigen Mittel dazu besitzt… wenn Rei’s Entführer weit von hier waren gab es keine Chance sie wiederzufinden. Es gibt keine Gefahren, sei es Naturkatastrophen oder menschliches Fehlverhalten. Ich stoppte am Spielplatz des White Lake Parks. Bern war gerade anderswo unterwegs und suchte… ich war an diesem Ort gelandet, ohne darüber nachzudenken. Ich näherte mich der Schaukel, auf welcher ich Reika zum ersten Mal gesehen hatte. Ich legte meine Hand auf diese und spürte mein Herz höher schlagen. Das Bild des hier weinenden Mädchens kam mir in den Kopf und ich bemerkte, dass wir nun in einer ähnlichen Situation waren als sie zu dieser Zeit. „Es gibt kein Zurück? Es war ein Lebensabschnitt, den wir zu dritt durchgemacht haben und er ist jetzt vorbei? Willst du mir das wirklich weismachen, Reika? Nach all der Zeit verschwindest du einfach über Nacht? … Reika …. Reika ….. REIKAAAAAA!!!“ Mit Tränen in den Augen sank ich auf dem Boden zusammen und schrie mir die Seele aus dem Leib. Erfolglos. Unsere Suche war erfolglos geblieben. Wir hatten sie zwei Tage lang ohne Pausen, ohne Essen und ohne Schlaf gesucht. Ich und Bern sanken erschöpft, Rücken an Rücken in unserer Gasse zusammen und nahmen einander an den Händen. „Wir sind wieder alleine…“ Ich hörte Berns murmeln und seufzte. „Wir haben noch einander…“ versuchte ich ihn aufzumuntern. Ich hörte ein Glucksen, dann begann er zu lachen, laut zu lachen, verrückt zu lachen und schlussendlich heulte er wieder, bis er zu erschöpft dazu war. … Wir kamen nie ganz darüber hinweg, doch lebten wir weiter. Es gab keinen anderen Weg. Wir lebten weiter und versuchten nicht darüber nachzudenken, was hinter uns lag. Wir hatten erkannt wie hilflos wir waren. Jetzt mussten wir das Gegenteil beweißen. Uns hatte der Verlust unserer Schwester gelehrt, besser aufeinander aufzupassen als jemals zuvor. Wenn wir stehlen gingen taten wir es zusammen. Wenn wir betteln gingen taten wir es zusammen. Wenn wir unsere Gasse verließen taten wir es nun immer zusammen. Heute hatten wir unsere Gasse verlassen, um uns ein Abendessen zu stehlen. „Fisch, dein Lieblingsessen, Lenz.“ bemerkte Bern breit grinsend, als er nach unserem Raubzug neben mir her ging. Ja, er hatte es nicht verlernt zu grinsen, was mich erfreute. Zu schade, dass er immer noch gerne Fisch aß… Wir hatten vor knapp zehn Minuten unseren trickreichen Raub durchgezogen und waren nun wieder auf dem Heimweg. Es war ein angenehmer Tag, es war weder zu heiß noch zu kühl. Die Villa einige Meter vor uns hatte Feuer gefangen und die Sonne schien durch einen klarer blauen Himmel. Keine Wolke war am Himmel und das Geschrei von Personen erfüllte die sonst ruhige Straße. So in etwa kam es mir vor, bis ich realisierte was ich sah. Ich sah Bern an und dieser mich, dann sahen wir zu dem brennenden Gebäude und näherten uns diesem langsam. Wir waren neugierig, ich gebe es zu. Vor dem Haus war die Feuerwehr und gab ihr Bestes um das Gebäude zu löschen, doch nur ein Feuerwehrwagen erschien mir persönlich recht wenig. Eine fette Frau, offensichtlich reich. Mit einer dicken Perlenkette, großen Diamantringen an mehreren Fingern und sündhaftteuren Klamotten inklusive einem Schal der wohl eine Nachbildung eines Fuchsschwanzes war… zumindest hoffte ich das es eine Nachbildung war. Sie war wohl die lauteste Person hier. Sie schrie einen der Feuerwehrmänner an. „Mister! Sie müssen jemanden dort hinein schicken! Mein Baby ist noch da drinnen!“ Ihre Stimme war unaufhaltsam, nahezu mit dem Geräusch einer wütenden Krähe zu vergleichen. Der Feuerwehrmann schloss seine Augen. „Dieses Gebäude kann jeden Moment völlig einstürzen! Ich werde nicht einen meiner Männer dort hinein schicken! Dieses Feuer lodert seit knapp einer halben Stunde. Wie konnten sie es überhaupt so lange vergessen?“ Der Mann schien sowohl wütend als auch realistisch zu sein. Er gab der fetten Frau keine großen Hoffnungen und diese schien verzweifelt. „A-aber mein Baby! Sie müssen doch irgendetwas tun!“ Der Feuerwehrmann schüttelte nur mit geschlossenen Augen seinen Kopf. Ich spürte Berns Hand die meine greifen und sah ihn an. „Du weißt, was ich denke?“ fragte er mich mit einem schwachen Lächeln. Mein Blick blieb kühl, doch nickte ich. Wir ließen unseren Müllsack mit dem sich darin befindenden Fisch auf die Straße fallen und stürmten auf das Gebäude zu. „Hey, was macht ihr zwei da?! Ihr könnt da nicht rein!“ Die feste Stimme eines anderen Feuerwehrmannes hallte in unseren Ohren wieder, doch ignorierten wir ihn. Für uns gab es nun bereits kein zurück mehr. Wir würden dieses Baby retten. Das Gebäude, das wir betreten hatten war groß. Eine Villa, wie man sie in The City nur selten sah. Hochhäuser, Kaufhäuser und Fabriken irgendwelcher Art prägten hier das übliche Landschaftsbild. Wir fanden uns in einer großen Eingangshalle wieder, die über zwei Treppen in den oberen Stock führte. Es brannte überall und eine der Treppen war bereits eingestürzt. Ich beobachtete Bern, wie dieser seine Katzenohren spitzte. Er versuchte wohl den Aufenthaltsort des Mädchens ausfindig zu machen, so wie er auch Rei einmal ausfindig gemacht hatte. Nach wenigen Momenten packte mich mein Bruder erneut fest an der Hand und zog mich die intakte Treppe hoch. Dort sah er nach links und rechts und spitzte erneut seine Ohren. Ich sah, dass einer der beiden Wege von durch die Decke gebrochenem, brennendem Gebälk versperrt war und hoffte, dass wir nicht in diese Richtung mussten. Ich hatte Glück, denn Bern zog mich Sekunden später in die andere Richtung. „Es ist nahe… doch schreit es nicht… ich höre nur seinen Herzschlag, schnellen Herzschlag.“ gab mir mein Bruder zu wissen, als er mitten in einem Gang mit mehreren Türen erneut halt machte. „Irgendwo hinter diesen Türen…“ murmelte ich. Bern versuchte den Aufenthaltsort des Babys genauer zu bestimmen und schlenderte durch den Gang. Es brannte… hier und da brachen Wände ein und Teile der Decke… mein Bruder konzentrierte sich während ich langsam Angst bekam. „Hier.“ bemerkte er plötzlich und legte seine Hand an eine Türklinge. Er drückte sie hinunter, doch öffnete sie sich nicht. „Abgesperrt…“ Ich sah ihm zu, dann wurde ich ungeduldig. „Spar dir die Kommentare und brich sie auf, bevor das ganze Haus zusammenbricht!“ Er sah mich kurz an, dann nickte er. Er legte die Fläche seiner rechten Hand an die Tür, schloss seine Augen und drückte kurz, bevor die Tür zersplitterte. Ich sah ihm aus einem Meter Entfernung zu und bemerkte wie sein übliches Grinsen auf sein Gesicht huschte. „Hey Baby~“ bemerkte er großtuerisch und ich war verwirrt. Ich lief an seine Seite und folgte seinem Blick in das Zimmer. „Was zur?!“ Das Staunen stand mir wohl ins Gesicht geschrieben. Das Baby war wohl älter als wir dachten. „V-Venus irgendwer, Rei’s…“ Vor uns auf dem Boden, eingeklemmt unter einem Holzbalken, lag Venus Kwilr. Sie war das Mädchen, das vor längerer Zeit versucht hatte Reika’s Medaillon zu stehlen. Sie sah zu uns mit schmerzverzerrtem Gesicht auf. „Steht da nicht… nur rum… helft mir, bitte!“ flehte sie. Man sah ihr die Schmerzen mehr als an. „Bern, komm.“ sagte ich kühl. Mein Bruder zögerte, doch folgte er mir zu dem Mädchen und half mir, sie von dem Balken zu befreien. Für einen ausgebrannten Holzbalken war er recht schwer und der Boden knarrte unter dem Gewicht als wir ihn aufhoben. Er knarrte und brach unter Berns Füßen ein. „Scheiße!“ schrie dieser, nun bis zum Hals im unteren Stockwerk hänhend. Ich lief sofort zu ihm, doch er schrie mich an. „Schnapp das verdammte Mädchen und renn!“ Ich zögerte, dann schrie er erneut. „Die Bude steht keine drei Minuten mehr! Ich höre das Brechen, renn um euer Leben!“ Ich sah zu Venus, die neben mir lag hinab. Sie sah wiederum geschockt zu Bern, dann hoch zu mir. Der Balken der auf sie gefallen war hatte ihr die Beine gebrochen. Ich hob das Mädchen vorsichtig mit beiden Armen hoch und sah ein letztes Mal zu Bern, bevor dieser sein übliches Grinsen aufsetzte – oder es unter dem Schmerz, den er im Moment verspürte zumindest versuchte. „Lauf schon.“ bemerkte er ruhig. Er hatte recht, es gab keine Zeit mehr. So schwer es mir fiel riss ich meinen Blick ein letztes Mal von ihm und lief. Ich lief den Weg zurück, durch den ich gekommen war und hörte hinter mir ein lautes Krachen. Ich sah kurz über meine Schulter und sah, wie der Boden, auf dem ich vor wenigen Sekunden noch gestand hatte, eingebrochen war. Venus hielt sich mit beiden Händen an mir fest. Sie zitterte am ganzen Körper und sah in mein Gesicht auf. Als wir weiterliefen murmelte sie etwas. „Ihr seid Reika’s Brüder… richtig?“ Sie hatte es also gewusst? Sie hatte Rei an jenem Tag erkannt und trotzdem versucht deren Medaillon zu stehlen? Es war keine Zeit um darüber nachzudenken, so nickte ich einfach. „Dann war das also sie… geht es ihr gut?“ Wie konnte dieses Mädchen in diesem Chaos solche Fragen stellen. Ohne viel auf sie zu achten nickte ich erneut. Wir waren nun zurück bei der Treppe, die zum Eingang des Gebäudes führte und ich begann über diese hinab zu laufen. Ich bemerkte, wie jede einzelne Stufe unter meinen Tritten wegbrach. Ich konnte nicht mehr stoppen. Ein letzter Sprint zum Ausgang. Wir hatten die Treppe hinter uns und Mutter Erde hatte uns wieder. Nur noch wenige Sekunden und wir wären in Sicherheit, dann weiten sich plötzlich Venus Augen. „DIE DECKE!“ rief sie aus und streckte eine ihrer Hände an meinem Kopf vorbei gen Himmel. Ich musste nicht nachzusehen um zu wissen was sie meinte. Ich hörte das Ächzen und Brechen, das Fallen und Rumoren. Die Decke über uns kam näher. „So ein Mist.“ ging es mir durch den Kopf. „Wieso kann es nicht einfach gut gehen?“ Mit diesen Gedanken sprach ich zwei leise Worte. „Lass los.“ Das Mädchen zögerte nicht. Es vertraute mir und entließ ihre Hände von meiner Kleidung. Ich konzentrierte all meine Kräfte in meine Hände und warf das Mädchen. Ich beobachtete, wie Venus durch die offene Tür der Villa glitt und auf dem Asphaltboden vor dem Gebäude landete. Ich konnte nicht mehr rennen, ich musste nicht mehr rennen, ich lächelte schwach und wand meinen Blick nach oben. Die Decke riss mich nieder, brach den Boden und zog mich unter die Erde. Im lichterloh brennenden Keller landete ich, schwer verletzt… Bern saß neben mir und grinste mich mit seinem üblichen blöden Grinsen an. „Na, hattest du ein heißes Date?“ kam es schwummrig über seine Lippen. „Sei nicht gemein, Bern. Er ist ein Held.“ Die süßliche Stimme Rei’s mischte sich ein. Sie lächelte mich an, wie sie es so gerne tat und gab mir einen unerwarteten Kuss auf die Stirn. Bern verschränkte daraufhin genervt seine Arme. „Hey, ich hab auch für die beiden mein Leben hingegeben.“ „Aber du… ach was soll’s.“ erwiderte Rei nur kichernd und gab ihm auch ein Küsschen. „Könnt ihr damit aufhören?“ fragte ich und griff nach den beiden um sie zu umarmend. „Langweiler.“ flüsterte mir Rei ins Ohr, ließ sich jedoch umarmen, genauso wie mein Bruder. Die beiden verschwammen vor meinen Augen… Ich sah meine Eltern mich aussetzen… Ich sah meinen Bruder mit mir kämpfen… Ich sah meine Schwester heulend auf einer Schaukel sitzend… Ich sah mich mit meinen beiden Geschwistern Spaß haben… Ich sah mich ein Mädchen durch ein brennendes Haus tragen… Schwarz… …dann landete ein brüchiger Balken auf meinem Kopf und beendete mein Leben. Wie war es gewesen? Was hatte ich erreicht? Was hatte ich verloren? Macht euch davon ein eigenes Bild. Venus rappelte sich von der Straße auf. Sie hatte sich bei ihrer harten Landung aufgeschürft doch nicht weiter verletzt. Sie sah über ihre Schulter zu dem brennenden Gebäude, aus welchem sie gerade geflohen war. Von ihrem Retter war keine Spur… er hatte es wohl nicht geschafft. „Er hat mich gerettet, obwohl ich so gemein zu ihnen war?“ Die Mutter des Mädchens kam an ihre Seite und hob sie hoch. „Kind, da bist du ja!“ rief sie aus und drückte ihre Tochter an ihre Brust. Diese wehrte sich, da die Schmerzen ihrer gebrochenen Beine und aufgeschürften Hände fast unerträglich wurden. Schlussendlich riss sie sich los. Das Mädchen sank vor ihrer Mutter auf die Knie und diese sah sie verwirrt an. „Ist etwas, Kind?“ fragte sie, ohne viele Gefühle in ihre Stimme zu legen. „Mama, hast du schon einmal wahres Heldentum erlebt?“ kam es über die Lippen des Mädchens, doch ihre Mutter hörte ihr nur halb zu. Diese realisierte gerade, wie viel Geld eine neue Wohnung kosten wird. „Sagtest du etwas, Kind?“ fragte sie, ihren Blick von der brennenden Villa auf Venus werfend, welche nur den Kopf schüttelte. Die Frau seufzte und sah wieder zu der Villa. „Wo bleiben bloß diese Jungen mit meinem Baby… so unzuverlässig diese Jugend von heute.“ Venus hob ihren Kopf auf diese Aussage hin und erinnerte sich wage an Berns Worte, die er sprach als er sie innerhalb des Gebäudes gesehen hatte. Hey Baby~ „Was meinst du damit, Mama?“ fragte Venus, doch ihre Mutter hörte ihr erneut nicht zu. Das Mädchen dachte sich, dass das Baby ihrer Mutter sicherlich irgendein Wertgegenstand sein müsse und ließ sich flach auf den Boden nieder. Die Schmerzen waren nach wie vor unerträglich, doch versuchte sie diese zu ignorieren und ließ ihre Augen zufallen. Ich habe heute zwei Helden getroffen… Vielleicht wäre es besser gewesen in dieser Villa zu sterben? Ich werde leben. Leben um deren Tod nicht unnütz zu machen… Heldentum nach all dieser Zeit… Hat diese Welt, The City, doch noch eine Chance? --Venus Kwilr und deren Mutter zogen in eine neue Wohnung. Sie gingen bald darauf pleite und mussten die meisten ihrer Wertsachen verkaufen. Die Beziehung zwischen Mutter und Tochter wurde in dieser schweren Zeit gestärkt. Venus fand Arbeit als Sekretärin des Chefs einer großen Baufirma und konnte die Familie damit wieder retten. Sie vergaß ihre Retter niemals.-- --An der Stelle der abgebrannten Villa wurde kurz nach dessen Entfernung ein großes Einkaufszentrum erbaut.-- --Drei Helden … das Feuer des Heldentums brennt.-- THE END |